Auftauchen

01.03.2023

Ich bin durch eine (jedenfalls für mich) tiefe depressive Episode gewatet.

Gerade steige ich aus diesem fiesen schwarzen Schlamm aus. Wie immer an dieser Stelle beflügelt mich die Euphorie.

Es ist noch eine Phase, wo man sich noch so an die Gefühle der depressiven Episode erinnert, dass man sie sich aus der Erinnerung heraus aufsetzen und dann eben auch wieder absetzen kann. Mit Depression – ohne Depression – mit Depression – ohne Depression.

So wie ein Kind mit der 3D-Brille im 3D-Kino.

Das morgendliche Aufstehen zum Beispiel war heute morgen krass. Ich habe einfach meine 1-2-3-4 Wecker ausgemacht, war wach und bin aufgestanden. Einfach nur so. AUFGESTANDEN! Nicht nur aus dem Bett geschleppt, vom Gedanken überwältigt, dass ich nicht möchte, dass ich nicht mehr kann, dass ich es nicht mehr ertrage.

Ich setzte meine Füße auf den Boden und stand einfach auf und nahm den Tag in Angriff. Es gab diesen Widerstand nicht mehr. Dieses Waten durch den schwarzen Sumpf. Ich setzte einfach einen Fuß vor den anderen.

Und dabei gibt es diesen Sumpf nur in meinem Kopf. Die Welt ist tatsächlich die gleiche geblieben. Der Alltag mit der Kleinen ist immer noch eine Herausforderung. Der Haushalt ist immer noch verstaubt, schmutzig und chaotisch. Der Hund ist immer noch bemackt. Die Energiepreise machen mir immer noch Sorgen und der Krieg ist mir auch noch nur allzu deutlich bewusst. Und der Ehemann fehlt mir immer noch unendlich.

Aber neben all diesen Dingen muss ich nicht mehr mühsam durch den schwarzen Sumpf stapfen, um damit zurechtzukommen.

Also, ich bin heute morgen voll krass aufgestanden, habe voll krass einfach so mein Bett gemacht und die Kleine geweckt. Einfach so!

Gerade schreibe ich auch diesen Blogbeitrag und finde es voll krass, wie die Worte einfach wieder fließen. Kein overthinking, kein schwarzmalen, einfach wieder schreiben, kein Gefühl von „Es hat doch alles keinen Sinn!“ Einfach so!

Ich kenne diese Euphorie-Phase schon, man möchte auf einmal alles, weil es gerade so voll krass ist. Wie jemand, für den alles nach schwarzem Sumpf schmeckte, und der auf einmal wieder Farben schmecken kann. Und man denkt: „BOAH! Mehr davon! Ich will mehr! Ich will den ganzen Regenbogen! JETZT!“

Und wie immer realisiere ich erst in diesem Moment, wie tief ich in dem schwarzen Sumpf gesteckt habe. Wieviel Energie es mich gekostet hat, einfach immer weiter zu waten. Und dass ich das eine oder andere Mal dachte, dass ich einfach stehen bleibe und mich verschlingen lasse, weil ich so nicht weitermachen möchte.

Was hat mir den Weg aus dem Sumpf geebnet? Ich habe mich vor ein paar Wochen krank schreiben lassen. Die Arbeit ist nicht mein höchster Belastungsfaktor. Aber der Faktor, für den man eine Krankmeldung bekommen kann. Und jetzt stelle ich fest, dass diese Arbeit meinen Sumpf vielleicht stärker versumpft als ich bisher dachte. Vielleicht brauche ich eine neue Stelle. Irgendetwas, wo ich meine Arbeit habe und nicht nur auf Zuruf irgendwas erledige. Und wenn ich es im Griff habe, macht es irgendjemand anderes.

Ich weiß aber noch nicht, wie ich es angehen soll. Denn es wird Unmut in meinem jetzigen Arbeitsumfeld hervorrufen. Man war dort immer sehr verständnisvoll, wenn es bei mir weshalb auch immer schlimm wurde. Und jetzt erkläre ich, dass es dort schlimm ist? Ein Stellenwechsel hätte weitere Nachteile. Ich würde meinen Telearbeitsplatz für sechs Monate verlieren. Und ohne wird der Alltag mit der Kleinen erheblich schwieriger…

Wir sollen jetzt umstrukturiert werden, gab es eine offizielle Information und wurden gebeten uns bitte nichts anderes zu suchen, alles sei sicher, nur unser organisatorisches Umfeld würde wechseln, blablabla.

Ich denke, dass ich das abwarten werde. Vielleicht ergibt sich in dieser Umgliederung etwas neues, zumindest ein guter Grund um daraus auszusteigen. Und ich überlege, in dieser Zeit mit der Betriebspsychologie Kontakt aufzunehmen, mal meine Optionen abchecken.

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2 Gedanken zu “Auftauchen

  1. Voll krass!
    Nach deinen letzten beiden Beiträgen hier dachte ich, es geht dir besser…..

    Die Arbeit ist ja wohl das einzige, an dem du was ändern könntest. Will sagen, den Ehemann kannst du nicht zurückholen, Macken-Kinder, Macken-Hund Macken-Haushalt kannst du nicht weggeben (freiwillig).
    Ich hab keine Ahnung, was du arbeitest, aber Telearbeit klingt erstmal gut. Aber ich habe die letzten 6 Jahre, bevor ich endlich, endlich in Rente gehen konnte, von zuhause aus gearbeitet, und das wurde von Jahr zu Jahr belastender. Anfangs war ich total happy darüber, denn ich bin von Bayern nach Niedersachsen gezogen und konnte in meiner Firma weiterarbeiten. Im Lauf der Zeit bekam ich aber immer mehr den Kram, den die anderen nicht machen wollten, aus welchen Gründen auch immer.
    Der kleine Plausch in der Teeküche oder der Austausch mit den Kollegen hat mir so sehr gefehlt, und letztendlich blieb ich immer mehr außen vor, bekam die neuesten „Trends“ bei den Kunden nicht mehr mit, nahm an keinen Fortbildungen mehr teil usw.
    Was eigentlich sehr entgegenkommend und als Luxus empfunden werden sollte, machte mich eigentlich kreuzunglücklich.

    Von daher empfinde ich deine „Erkenntnis“ was die Arbeit betrifft, sehr, sehr toll. Voll krass!

    Alles Gute!

    Gefällt 2 Personen

  2. Es wird sicherlich noch eine ganze Weile dauern, bis sich alles wieder relativ normal anfühlt.
    Die Entwicklung am Arbeitsplatz, dass umstrukturieret werden soll, abzuwarten, hört sich vernünftig an. Wer weiss, vielleicht gehen diese Veränderungen in deine Richtung, sind zu deinem Vorteil.
    Ich drücke dir jedenfalls die Daumen.

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